Schon wieder ein Jahr vorbei! Kaum gibt´s die ersten Spekulatius zu kaufen (im September), befinden wir uns auch schon im Jahresend-Stress und die Advents­rituale müssen wegen Zeitmangel ausfallen.

Dieses Jahr wollte ich alles richtig machen.

Wie jedes Jahr erhalten wir an Heiligabend Besuch von der Familie und mein Mann und ich servieren das Weihnachtsmenü. Meine beiden Teenager-Kinder werden als Hilfspersonal eingesetzt.

Mein Projekt „Weihnachtsmenü“ sollte erstmals mit agilen Methoden geplant werden, denn es war klar, dass sich während der Projektlaufzeit viele Änderungen ergeben würden. Sie kennen meine Familie nicht! Wer kommt wann und wenn ja, wie viele…Die Schwiegermutter macht jedes Jahr eine neue Diät, mein Bruder kommt zu spät oder hat gerade einen Yufka gegessen. Mein Vater mag kein Essen, das man „selbst kochen muss“ (Raclette scheidet also aus…). Ich selbst habe vor Weihnachten schon gar keinen Appetit mehr.

Im letzten Jahr gingen die Projektkosten und besonders auch die Nerven­belastung stark nach oben, da ich das Menü wegen der gerade im Einsatz befindlichen Weight Watchers Diät der Schwiegermama im letzten Moment komplett über den Haufen werfen musste, aber ihren Geschmack trotzdem nicht treffen konnte und den der anderen erst recht nicht.

Am Anfang meines agilen Menü-Projekts stand das Treffen mit meinen Kunden. Zum Glück hatte Tante Martha am 1. Dezember Geburtstag, so dass ich dort die Kundenerwartungen klären konnte. „Ich will mal was anderes“, „Aber bitte nicht so fett“. Meine Mutter stieß schon ins gleiche Horn wie die Schwiegermama, die selbstverständlich auch dieses Jahr auf ihre Linie achten wollte. Papa war da einfacher: „Ich möchte schon satt werden – nicht so kleine Edel-Portiönchen“. Die Anforderungen bzw. User Stories waren vielfältig…und das Backlog ambitioniert.

Ich ernannte mich kurzerhand zum Product Owner und die Deadline wurde auf den 24.12. gelegt (wer hätte das gedacht…).

Ins Projektteam nahm ich trotz Gegenwehr meine beiden Kinder auf. Dass mein Mann ins Team gehört, war eh klar – zumindest für mich. Für den ersten Sprint (nein, kein 100-Meter-Lauf, sondern ein Arbeitsabschnitt) gab ich uns 5 Tage und wälzte ca. 100 Kochbücher sowie 200 Rezepte-Internetseiten. Die daraus entstehende To-Do-Liste wurde an den Kühlschrank gepinnt. Jeden Abend zwang ich meine Familie zu einem Standup-Meeting vor dem Kühlschrank. Vorher gab es kein Abendessen. Aufgaben wurden von den Team-Mitgliedern übernommen (bzw. ihnen eher zugeordnet) und nach Erledigung auf „done“ gestellt. Fragen (Mag Opa Fenchel?) wurden mit den Kunden schnellstmöglich geklärt.

Es waren 5 harte Tage…danach tippte mein Mann den aktuellen Menüplan in den PC und schickte dieses Product Increment an alle Weihnachtsgäste in spe zur Begutachtung.

Nun, was soll ich sagen… Das Kundenfeedback ergab neue Erkenntnisse, neue To-Do‘s und offenbarte extravagante Geschmacksrichtungen.

Auf einzelnen Wunsch einer wichtigen Stakeholderin ergänzten wir die Vorspeise und entschieden uns dafür, die Nachspeise einzudampfen, weil sich sonst die Projektdauer bis zum 27.12. verlängert hätte.

Die nächste Iterationsrunde brachte bahnbrechende Ergebnisse. Meine Schwiegermutter hatte die glorreiche Idee, uns ihren aktuellen Lieblings-Fitness-Salat zuzuliefern. Daraufhin konnte Mama nicht umhin, das neue Obst-Dessert anzubieten, dass trotz geringer Kalorien extrem lecker sein soll.

Ha! Ich bin klarer Fan dieses agilen Prinzips: „Die Kunst, die Menge nicht getaner Arbeit zu maximieren“.

Komisch: Beide Mütter hatten viel Freude daran, mitzuplanen und kamen freiwillig vorbei, um auf das Taskboard am Kühlschrank zu starren und mitzudiskutieren. Da unsere Küche nicht groß ist, war mir danach klar, warum agiles Projektmanagement auch „Scrum“ – übersetzt „Gedränge“ – heißt.

Nach dieser Iterationsrunde stand das Menü mit Arbeitsplan:

  • Maronensuppe (ich will mal was anderes)
  • Rinderbraten mit Spätzle und Fitness-Salat (satt werden – nicht so kleine Edel-Portiönchen, nicht so fett)
  • Obst-Dessert (lecker und kalorienarm)

Alle hatten mitgeplant und -organisiert, Missverständnisse ausgeräumt und Fehlkäufe vermieden. Und wir hatten das noch nie bemerkte Kundenbedürfnis „Mitwirkung“ entdeckt. Ich selbst hatte daran zu knabbern, dass meine jahrelang eingeübte Kontrollfunktion als Mama in der Agilität nicht gefragt war. Und stürzte damit in einen Rollenkonflikt, den ich glücklicherweise am 23.12. überwinden konnte.

Am 24.12. um 19:00 Uhr lieferte das Projektteam das Weihnachtsmenü an die gespannten und hungrigen Kunden aus.

Die Produktqualität wurde intensiv geprüft und höchste Kundenzufriedenheit machte sich breit, denn alle waren ausgesprochen satt und bezeichneten das Weihnachtsessen als einen kulinarischen Genuss.

In der Projekt-Retrospektive bei Schnäpschen und Espresso konnte das Team in den Erfolgen und im Zusammengehörigkeitsgefühl baden. Außerdem wurden diverse Lessons Learned gesammelt: Für den Waren-Einkauf vor Weihnachten muss mehr Zeit eingeplant werden, denn die Supermärkte sind proppenvoll. Meine Projektkollegen wünschten sich, dass man mir im Folgejahr einen Scrum-Master zur Seite stellen sollte, um meinen Kontroll-Wahn in den Griff zu kriegen. Schwiegermama und Mama meinten, ein Burndown-Chart wäre für die Sprints hilfreich gewesen. Vielleicht könnte man dafür die Adventskerzen verwenden?

Nie hatten wir einen so einen entspannten und besinnlichen Heiligabend…

Der agile Versuch war also geglückt! Und unsere Kunden setzen aktuell große Hoffnungen darauf, im nächsten Jahr die Auswahl der Weihnachtslieder mit zu projektieren.

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